Praxisleitfaden zur Entwicklung der Engagementförderung für ländliche Kommunen

Soeben ist die Studie „Gemeinsam engagiert in ländlichen Räumen – Den eigenen Weg für die Kommune finden!“ erschienen, die auch für die Kommunen Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf spannend zu lesen ist. Geschrieben von den Autorinnen Dr. Anna Wiebke Klie (HSPV NRW) und Prof.’in Dr. Andrea Walter (HSPV NRW) und unter der Herausgeberschaft der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen (HSPV NRW) erschienen, versteht sich sie Studie als Abschlussbericht des Projektes SROI – Social Return on Investment. Dieses war der Sicherung des Ehrenamts für die Zukunft im ländlichen Raum gewidmet und beschreibt den Spannungsrahmen der Aufgabenstellung wie folgt:

Bürgerschaftliches Engagement leistet einen wesentlichen Beitrag, um die kommunale Daseinsvorsorge in ländlichen Regionen zu sichern. Doch strukturelle, demographische und administrative Veränderungen beeinflussen die Bereitschaft zu ehrenamtlicher Tätigkeit zunehmend.

Wie kann bürgerschaftliches Engagement zukunftssicher aufgestellt werden, um eine nachhaltige Stärkung der Daseinsvorsorge zu gewährleisten? Diese Frage will das Verbundvorhaben SROI beantworten.

Das Projekt SROI wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in der Fördermaßnahme Kommunen Innovativ unter dem Förderkennzeichen 033L236 gefördert und hatte die Projektlaufzeit: 01.09.2021–31.08.2024.

In der Einführung der Studie umreißen sie die Bedeutung des Engagements sowie das Spannungsfeld für Kommunen wie folgt:

Bürgerschaftliches Engagement durchdringt nahezu alle Bereiche des Lebens vor Ort – sowohl in städtischen als auch in ländlichen Räumen: Bürgerinnen und Bürger beteiligen sich aktiv an Diskussionen und prägen die lokale Gemeinschaft durch ihre freiwillige Tätigkeit. In Vereinen, Initiativen und öffentlichen Einrichtungen leisten sie tagtäglich einen wichtigen Beitrag zur Lebensqualität vor Ort. Allerdings stehen die sogenannten freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben, zu denen in der Kommune auch die Förderung von Engagement gehört, aufgrund finanzieller Engpässe im Fokus möglicher Einsparungen. Das ist besorgniserregend, da die Förderung von Engagement von entscheidender Bedeutung ist und in Zukunft – insbesondere in ländlichen Räumen – noch wichtiger werden wird. Daher ist es eine zentrale Aufgabe von Politik und Verwaltung, das lokale Engagement zu unterstützen, indem Engagierte adäquate Rahmenbedingungen vorfinden und diese bedarfsgerecht weiterentwickelt werden.
Dies erfordert Investitionen, insbesondere von Zeit und Geld. Mehr-Wert von Engagement in ländlichen Räumen Engagement trägt auf vielfältige Weise dazu bei, konkreten Herausforderungen in ländlichen Gemeinden, Städten und Kreisen zu begegnen, und erzeugt dabei Mehrwerte, die für eine nachhaltige und demokratische Entwicklung von Kommunen in Zeiten tiefgreifender gesellschaftlicher und ökologischer Veränderungen von zentraler Bedeutung sind:

  • Demokratieförderung
  • Kreativität & Fortschritt
  • Gemeinschaftsbindung
  • Unterstützung in der Daseinsvorsorge
  • Krisenbewältigung

 

Trends und Herausforderungen für Engagement und seine Förderung

Der erst Teil der Studie fasst aktuelle Trends und Herausforderungen für Engagement und seine Förderung sehr gut kurz zusammen:

  • Wandel des Engagements
    „… zeigt sich in der Präferenz für spontanes, ungebundenes, projektbezogenes – sogenanntes informelles – Engagement außerhalb formeller Strukturen und Organisationen, u. a. um Familie, Beruf und Privatleben vereinbaren zu können. Während das Engagement relativ stabil bleibt, nimmt der Zeitumfang pro engagierter Person seit den letzten Jahren kontinuierlich ab. …“
  • Zunahme von rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Einstellungen
    „… unter Menschen in Deutschland. Dünnbesiedelte, ländliche und strukturschwache Regionen wie z. B. in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt sind besonders anfällig für rechtsextreme Unterwanderung. Durch Abwanderung junger Menschen und den Rückzug demokratischer Organisationen entstehen dort Möglichkeitsräume für die Verbreitung von rechtsextremen Ideologien. …“
  • Demografischer Wandel
    „… Durch den demografischen Wandel verändert sich die Art und Weise, wie und in welchen Formen sich Menschen engagieren. Verschiedene (Alters-)Gruppen haben unterschiedliche Engagementpräferenzen und in einer alternden Gesellschaft spielen Engagementtätigkeiten in bestimmten Bereichen, wie der Pflege, eine immer größere Rolle. ,,,“
  • Soziale Ungleichheit
    „… Die soziale Ungleichheit, • d. h. die ungleiche Verteilung von Mitteln und Chancen in Deutschland, nimmt zu. Dies führt dazu, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen benachteiligt sind und keinen oder schlechteren Zugang zu Engagement haben. …“
  • Abwanderung im ländlichen Raum
    „… In ländlichen Räumen, die von Abwanderung geprägt sind, stehen Engagement und dessen Förderung vor besonderen Herausforderungen: Der Bevölkerungsrückgang geht mit einem Verlust von (potenziell) Engagierten und lokalem Wissen einher und birgt die Gefahr der Ausdünnung von Engagementstrukturen und Dienstleistungen. …“
  • Nachwirkungen der Pandemie
    „… Die Nachwirkungen der Pandemie haben Auswirkungen auf das Engagement. Einerseits hat die Pandemie einen Digitalisierungsschub ausgelöst, der Engagementformen verändert und flexibilisiert hat …“
  • Förderung bürgerschaftlichen Engagements
    „… Die Förderung bürgerschaftlichen Engagements stellt für Kommunen eine freiwillige Aufgabe dar. In Zeiten knapper öffentlicher Kassen kann auch die Engagementförderung von Einsparmaßnahmen betroffen sein. Umso wichtiger ist es, anhand konkreter Ziele und geplanter Maßnahmen begründen zu können, warum für die kommunale Förderung auch weiterhin Ressourcen erforderlich sind. …“
  • Steigende bürokratische Anforderungen
    „… Zusätzlich erschweren steigende bürokratische Anforderungen, etwa in Bezug auf Berichts- und Dokumentationspflichten oder die Einhaltung von strengen Auflagen bei der Durchführung von Veranstaltungen, die Arbeit von Engagierten und Engagementfördernden und setzen vermehrt bestimmtes Wissen voraus, das erworben werden muss. …“
  • Engagement nicht als Lückenbüßer leerer öffentlicher Kassen
    „Engagement soll auf kommunaler Ebene mobilisiert und gestärkt werden, ohne dabei als Lückenbüßer leerer öffentlicher Kassen instrumentalisiert zu werden. Doch Engagierte sind zunehmend frustriert, denn ihre Rollen schwanken zwischen Mitgestaltenden kommunaler Entwicklungsprozesse und Ausfallbürgen für wegbrechende kommunale Leistungen. Wie frei und eigenwillig ist Engagement noch, wenn es zur Aufrechterhaltung von Versorgungsstrukturen zunehmend eingefordert wird? Ein sensibler Umgang mit Engagierten erfordert eine Balance zwischen deren persönlichen Interessen einerseits und politischen Zielen andererseits.“

 

Schlüsselfaktoren für bürgerschaftliches Engagement und seine Förderung

In dem kurzen Kapitel wird in das Zusammenspiel von Werten, Motivation, Kompetenzen Einzelner welche zum Handeln führen auf der einen Seite und einer Engagementkultur und Kommunikation sowie Strukturen und Prozesse in der Kommune auf der anderen Seite.

Engagement findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern im Kontext von kommunaler Verwaltung, Politik, zivilgesellschaftlichen Organisationen und anderen engagementfördernden Akteuren. Für das Management dieses Beziehungsgefüges, in dem Engagement stattfindet, braucht es in der Kommune klare Strukturen und Prozesse.

Insgesamt ist ein gelungenes Zusammenspiel zwischen individuellen Werten, Einstellungen, Überzeugungen, Handlungen, Kompetenzen und Talenten sowie der Engagementkultur, Kommunikation, Strukturen und Prozessen in der Kommune – als Engagementgemeinschaft – entscheidend für ein lebendiges Engagement, das sowohl das Individuum als auch die Gemeinschaft bereichern und stärken kann. Für eine effektive Förderung von Engagement und seinen Wandel müssen alle diese Ebenen und Facetten im Blick behalten werden.

Darüber hinaus basiert eine erfolgreiche kommunale Engagementförderung auf der Aktivierung und Zusammenarbeit von mehreren Akteuren: Entscheidungstragenden in der Politik, qualifizierten Fachkräften in der Verwaltung, engagierten Bürgern und Bürgerinnen, Führungspersonen von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Vereinen und Verbänden, öffentlichen Einrichtungen (z. B. für Bildung) und Unternehmen.

 

Sechs zentrale Aufgaben kommunaler Engagementförderung

Schließlich stellt die Studie die Kernaufgaben der kommunalen Engagementförderung zusammen, die auch die zentralen Arbeitsfelder von Ehrenamtsagenturen wiedergeben:

1. Vermittlung und Gewinnung von Engagierten
2. Koordination und Vernetzung von Engagement-Akteuren
3. Anlaufstelle bei Fragen und Problemen
4. Bereitstellung und Vermittlung von Weiterbildungsmöglichkeiten
5. Bereitstellung und Vermittlung von Fördergeldern
6. Anerkennung und Wertschätzung

© Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen (HSPV NRW)
© Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen (HSPV NRW) – Gemeinsam engagiert in ländlichen Räumen – Den eigenen Weg für die Kommune finden!

Insbesondere in kleinen und ländlichen Kommunen sind lokale Anlaufstellen für die Förderung von Engagement und die Unterstützung von Engagierten von großer Bedeutung. Diese Einrichtungen – oft als Ehrenamtsbüros, Koordinations- oder Stabsstellen bekannt – spielen eine Schlüsselrolle für die kommunale Entwicklung. Idealerweise sollten sie fest in die Kommunalverwaltung integriert sein. Ein zentraler Aspekt für ihre Wirksamkeit ist die Verfügbarkeit von hauptamtlichem Personal, das für Engagierte und Organisationen regelmäßig ansprechbar ist.

 

Lokales Engagement passgenau stärken: Empfehlungen für kommunale Engagementfördernde in ländlichen Räumen – mit Beispielen guter Praxis

Einen großen Teil der Studie machen anschauliche Fallbeispiele aus, deren Ausgangssituation und Kontext, die Ziele und Zielgruppen, die getroffene Maßnahmen und die Ergebnisse sowie deren Wirkungen. Es lohnt sich, die unterschiedlichen Ansätze genauer zu lesen.

Abschließend möchten wir noch eine Passage aus einem der Studie vorangestellten Interview mit den beiden Autorinnen zitieren, denn er scheint uns einer der zentralen Schlüssel für erfolgreiche kommunaler Engagementförderung zu sein. Frau Andrea Walter antwortet hier auf die Frage, welche Entwicklungen sich aktuell abzeichnen?

Wir beobachten in der Engagementförderung eine verstärkte Professionalisierung auf allen Ebenen. Die Politik hat erkannt, wie wichtig Engagement für unsere Gesellschaft ist – gerade in Zeiten von Krisen. Es gibt seit den letzten Jahren zahlreiche neue Akteure, wie z. B. die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt. Finanzielle Mittel und adäquate Rahmenbedingungen bleiben jedoch vielerorts ein rares Gut. Umso wichtiger ist eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft.

 

>> Die Studie finden Sie unter diesem Link zum Download.

Wer noch mehr möchte, dem sei die abschließende Podcast-Folge des Projektes SROI – Social Return on Investment empfohlen.

0:00 / 0:00
Ehrenamtsförderung

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert